Zur Planungs- und Entstehungsgeschichte: Am 27. August 1903 hatte der Kultusrat der jüdischen Gemeinde den Antrag zur Errichtung eines jüdischen Hauses gestellt, der Unterstützung fand, aber erst zweieinhalb Jahre später wieder aufgegriffen wurde. Im Januar 1906 machte die israelitische Kultusgemeinde in Czernowitz die Pläne zum Bau eines jüdischen Haus öffentlich und bat um finanzielle Unterstützung. Das geplante Haus sollte „in der Zeit der nationalen Wiedergeburt unseres Volkes ein wahrhaft jüdisches Nationalhaus, eine Pflegestätte jüdischer Kultur, jüdischer Wissenschaft und Kunst, eine Sammelstätte [werden], woselbst sich das nationale, kulturelle und gesellige Leben der jüdischen Bevölkerung konzentrieren“ (Bukowinaer Post, 28. Januar 1906, S. 4). Das Haus ist 24 Meter breit und 42 Meter lang und wurde nach Plänen des Baumeisters Julius Bochner und unter Leitung des städtischen Oberbaurats Moritz Birkenthal errichtet. Es erstreckt sich über fünf Stockwerke. Hier lagen im Souterrain Dienstwohnungen und ein Bierlokal, im Erdgeschoss befand sich eine „mächtige, mit einem Stuckplafond abgedeckte Säulenhalle“, die das Vestibül des Hauses bildete, von dem man in das Treppenhaus gelangte.

Das erste Stockwerk war Bürozwecken vorbehalten bzw. dem Sitzungssaal des Kultusrates der Gemeinde. Im zweiten und dritten Stockwerk lag der Festsaal, der für über 1000 Besucher Platz bot und 16 Logen, eine Repräsentations- und Musikloge sowie eine Galerie umfasste. An diesen Saal waren weitere Nebensäle, der Buffetraum, eine Garderobe und andere Räume angeschlossen. Im dritten Stockwerk waren eine Volksbibliothek und Lesesäle untergebracht. Hier standen auch verschiedenen Vereinen und Institutionen Räume zur Verfügung. In der Mansarde befand sich die Wohnung des Hausverwalters (Czernowitzer Allgemeine Zeitung, 4. Oktober 1908, S. 3).

Das Haus wurde am 12. September 1908 mit einer „großen Versammlung der Jüdischnationalen aus der ganzen Bukowina“ (Bukowinaer Post, 6. September 1908, S. 5) eröffnet. Die Rede des Gemeindevorsitzenden und Reichsratsabgeordneten Benno Straucher war nach Meinung eines Berichterstatters eine „imposante Manifestation des jüdischen Nationalbewusstseins“ (Bukowinaer Post, 13. September 1908, S. 5). Die israelitische Kultusgemeinde, auf deren Initiative der Bau zurückging – wobei Straucher die entscheidende Rolle spielte –, hatte zu diesem Zeitpunkt bereits ihre Büros in dem neuen Gebäude bezogen.

Am 27. Dezember 1908 fand schließlich die festliche Einweihung des Hauses statt und es wurde offiziell seiner Bestimmung übergeben. Es war ab diesem Zeitpunkt und während der gesamten Zwischenkriegszeit ein wichtiger Bezugsort der jüdischen Bevölkerung, stand aber auch oftmals im Mittelpunkt politischer Debatten zwischen verschiedenen jüdischen Gruppierungen in der Stadt. Benno Straucher, der sich 1909 eine eigene Büste im Erdgeschoss errichten ließ, untersagte einigen jüdisch-nationalen akademischen Vereinen die Nutzung des Gebäudes. Die Jüdische Toynbee-Halle, die 1913 auf Initiative Leon Kellners, einem Gegenspieler Strauchers, eröffnet worden war, war auch Ausdruck einer fortschreitenden Ausdifferenzierung der jüdischen Gemeinde, zumindest der politisch und kulturelle aktiven Schichten.

Äußerlich ist die Fassade des ehemaligen Jüdischen Hauses nahezu identisch mit dem Gründungsbau, abgesehen von zwei relevanten Veränderungen, die das Haus quasi entnationalisierten: In der sowjetischen Zeit wurden sowohl die großformatige Inschrift „Jüdisches Haus“ im Bogenbereich (Dachgeschoss) der Frontseite entfernt als auch der darunterliegende Davidstern. Dieses Symbol war auch Bestandteil des Treppengeländers im Inneren des Gebäudes. Hier wurde der Davidstern in ein Viereck verwandelt, indem man zwei Zacken abtrennte. In den 1990er-Jahren wurden sie fast alle wieder angebracht. Zwei Davidsterne ohne Zacken erinnern heute noch an diesen Akt der Zerstörung.

Heutzutage ist das ehemalige Jüdische Haus ein städtischer Kulturpalast. Die jüdische Gemeinde besitzt hier noch einen Raum. Das 2008 eröffnete Museum der jüdischen Geschichte und Kultur der Bukowina befindet sich im Erdgeschoss.

Text: Markus Winkler

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    Ehemaliges Jüdisches Haus (heute: städtischer Kulturpalast)

    Ehemaliges Jüdisches Haus (heute: städtischer Kulturpalast)
    Foto: Markus Winkler (2015)