1904 erhielt er einen Ruf an die Franz-Josephs-Universität Czernowitz, wo er als außerordentlicher (ab 1909 als ordentlicher) Professor den Lehrstuhl für Englische Philologie übernahm. Zehn Jahre wirkte er in der Stadt – nicht nur an der Universität, sondern auch politisch. Er unterstützte die jüdische Nationalbewegung vor Ort, war einer der Mitbegründer der Wochenzeitung "Der Jüdische Volksrat"(1911-1913), wurde 1911 Landtagsabgeordneter des Kronlandes Bukowina und initiierte 1913 die Gründung der Jüdischen Toynbee-Halle in Czernowitz, nachdem ihm dies bereits 1900 in Wien gelungen war. Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs kehrte Kellner nach Wien zurück, wo am Englischen Seminar der Universität eine Lehrkanzel frei geworden war. Dass er den Lehrauftrag nicht erhielt, wurde mit methodischen Aspekten begründet, doch spielten dabei auch sein Judentum und seine zionistische Karriere eine Rolle, worauf an späterer Stelle noch eingegangen wird. Nach der Veröffentlichung von Die englische Literatur der neuesten Zeit. Von Dickens bis Shaw (Leipzig 1921), eine grundlegende Erweiterung seines ersten Hauptwerkes Die englische Literatur im Zeitalter der Königin Viktoria (Leipzig 1909), arbeitete er bis zu seinem Tod am 5. Dezember 1928 fast ausschließlich zu Shakespeare. Kellner war der Schwiegervater Walter Benjamins.

Text: Markus Winkler

Quelle:

  • Markus Winkler: „… zu erörtern versuchte, was ihnen Ortslosigkeit war“. Paul Celans Begegnungen mit Leon Kellner. Eine Annäherung. In: ,Toposforschung (…) im Lichte der U-topie‘: Literarische Er-örterungen in/aus MittelOsteuropa (=Jassyer Beiträge zur Germanistik XXI), Jassy, Konstanz 2017, S. 547-560

 

  • Orte

    Orte

    Wohnhaus Leon Kellners in Czernowitz

    Wohnhaus Leon Kellners in Czernowitz
    Franzengasse 37, heute 28-ho Tschervnja Str. 59

    Jüdische Toynbee-Halle (Vorderansicht)

    Jüdische Toynbee-Halle (Vorderansicht)
    Ehemalige Türkenstraße 6. Zeitgenössische Aufnahme nach 1913