Wilhelm Reich wurde zunächst zu Hause von Privatlehrern unterrichtet. Mit 12 wechselte er auf ein Gymnasium in Czernowitz, wo er 1915 Abitur machte. Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges und der ersten russischen Invasion in die Bukowina wurde das Gut der Eltern zerstört. Wilhelm Reich diente zwischen 1915 und 1918 in der österreichischen Armee in Italien und ging nach dem Ersten Weltkrieg nach Wien, um Medizin zu studieren, wo er 1922 auch promovierte. 1919 lernte er Sigmund Freud kennen und wurde 1920 noch als Student jüngstes Mitglied der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung. 1922 nahm Reich seine Tätigkeit am Klinikum für Psychoanalyse (von Freud gegründet) im sogenannten Wiener Ambulatorium auf. Im gleichen Jahr heiratete er seine Patientin Annie Pink, später eine bekannte Psychoanalytikerin. Aus der Ehe, die 1932 geschieden wurde, gingen zwei Töchter hervor – Eva und Lore, ebenfalls bekannte US-amerikanische Ärztinnen und Psychoanalytikerinnen.

Zwischen 1924 und 1930 leitete Wilhelm Reich das Technische Seminar für Psychoanalyse in Wien. Während dieser Zeit entwickelte er die Libidotheorie Freuds zu einer Orgasmustheorie weiter (1927 erschien sein Buch „Die Funktion des Orgasmus“). In dieser Zeit arbeitete er auch seine neue Therapietechnik – die „Charakteranalyse“ aus. Reich sah den Orgasmus- und nicht den Todestrieb als Grundlage bzw. Bedingung einer psychischen Stabilität und Gesundheit.

Wilhelm Reich war nicht nur ein passionierter Psychoanalytiker, sondern er engagierte sich auch politisch. Wie viele seiner Zeitgenossen aus der bürgerlichen Schicht war er von Werken Karl Marx’ fasziniert und trat zunächst der Sozialdemokratischen Partei Österreichs bei. Kurz darauf brach er damit und wurde 1928 Mitglied der Kommunistischen Partei Österreichs. Mit seinen psychoanalytischen Theorien versuchte er gesellschaftliche „Neurosen“ zu beschreiben und er betrieb Aufklärung der Arbeiterschaft. Zwischen 1928 und 1930 gründete er mehrere Sexualberatungsstellen in Wien. Nach dem Zerwürfnis mit Freud – auf sein Ersuchen hin wurde er 1934 aus der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung ausgeschlossen – und einem Umzug nach Berlin, setzte er seine politische und wissenschaftliche Tätigkeit fort. 1930 gründete er den Deutschen Reichsverband für proletarische Sexualpolitik und den Verlag Sexpol. 1933 publizierte er zwei Bücher: „Charakteranalyse: Technik und Grundlagen für studierende und praktizierende Analytiker“ sowie „Massenpsychologie des Faschismus“. Im letzteren Werk versuchte er eine Verbindung zwischen Marxismus und Psychoanalyse herzustellen.

Nach Hitlers Machtübernahme 1933 gelang ihm die Flucht nach Skandinavien, wo er sich abwechselnd in Dänemark und Schweden aufhielt und sich schließlich bis 1939 in Norwegen niederließ. Im skandinavischen Exil setzte er seine Arbeit an der Charakteranalyse fort und entwickelte eine „Vegetotherapie“, die eine körperliche Annäherung an Patienten vorsah und die z.B. von Freud strikt abgelehnt wurde. Er entwickelte eine elektro-physiologische Methode zur Untersuchung der Ängste und Sexualität. Reich fing an, die umstrittene Vegetotherapie für Krebsbehandlungen zu nutzen. 1939 emigrierte Wilhelm Reich in die USA, wo er als Dozent für medizinische Psychologie der New School for Social Research in New York arbeitete. Für die Krebsbehandlungen konstruierte er das sogenannte „Orgon-Akkumulator“ und gründete 1942 in Maine ein Labor für Krebsforschung. Die Food and Drug Administration verklagte Reich wegen des Betruges, denn Reich bestand auf einer Heilwirkung des „Orgon-Akkumulators“ bei Krebsbehandlungen. Reich wurde zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt und starb am 3. November 1957 im Gefängnis von Lewisburg.

Wilhelm Reichs Werk beeinflusste viele Anhänger der sexuellen Revolution in den 1960er Jahren. Der Spielfilm „Der Fall Wilhelm Reich“ (2012, Regisseur: Antonin Svoboda, mit Klaus Maria Brandauer, Julia Jentsch und Birgit Minichmayr) zeichnet die Lebensgeschichte Reichs nach.

Text: Kateryna Stetsevych