Er besuchte das Liceul Marele Voevod Mihai, ein Czernowitzer Gymnasium, auf das fast ausschließlich jüdische und ukrainische Schüler gingen. Eine Zeil lang war er mit Paul Antschel (Celan) in einer Klasse. Ehe er ein Schuljahr wiederholen musste. Auch außerhalb der Schule pflegte er einen freundschaftlichen und literarischen Austausch mit Celan. Der Literaturwissenschaftler Peter Rychlo bezeichnet Immanuel Weißglas als dessen „frühen dichterischen Rivalen“ (Celan-Literaturzentrum).

Erste Veröffentlichungen tätigte er bereits als Gymnasiast: In der Bukarester Zeitschrift „Viaţa romanească“ wurde seine deutsche Übersetzung einiger Gedichte des rumänischen Lyrikers Tudor Arghezi abgedruckt. In den folgenden Jahren übertrug er unter anderem Rilke ins Rumänische und gab Mihai Eminescus’ Gedicht „Luceafărul“ unter dem Titel „Hyperion“ in deutscher Sprache heraus. In dieser Zeit entstanden auch einige eigene Gedichte, die später in die Sammlung „Gottes Mühlen in Berlin“ aufgenommen wurden.

Sein in Czernowitz begonnenes Philosophiestudium musste Immanuel Weißglas 1941 nach dem Einmarsch der deutschen und rumänischen Truppen abbrechen. Im darauffolgenden Jahr wurde er zusammen mit seinen Eltern in verschiedene Arbeitslager nach Transnistrien deportiert, wo er an Flecktyphus erkrankte. Seine Erfahrungen von Lager und Deportation verarbeitete er in den in dieser Zeit entstandenen Gedichten, die 1974 im Band „Kariera am Bug“ veröffentlicht wurden. Sein Vater schrieb die Erfahrungen der Deportation in einem 93-seitigen Bericht nieder, der 1995 vom Literaturhaus Berlin herausgegeben wurde (Isak Weißglas: „Steinbruch am Bug. Bericht einer Deportation nach Transnistrien“).

Im Frühjahr 1944 konnte die Familie nach der Befreiung durch die sowjetische Armee nach Czernowitz zurückkehren. Immanuel Weißglas arbeitete dort zunächst als Sanitäter und kümmerte sich um seine Eltern, die sehr unter der schlechten Versorgungslage litten. In dieser Zeit intensivierte sich auch wieder der Kontakt zu anderen überlebenden Dichtern und Dichterinnen aus der Bukowina wie Paul Celan, Rose Ausländer und Alfred Kittner. Die kurzzeitigen Grenzöffnungen nach Rumänien nutzte Immanuel Weißglas wie viele andere jüdische Intellektuelle auch und siedelte 1945 nach Bukarest über, wo er bis zu seinem Tod lebte. Er arbeitete dort zunächst als Theatermusiker, dann als Korrektor beim Verlag „Europolis“ und ab 1947 als Redakteur und Leiter des Archivs bei der Tageszeitung „Romănia Liberă“ (Freies Rumänien). In jenen Jahren festigten sich auch der Kontakt und die Freundschaft zu Alfred Margul-Sperber, der bereits seit 1940 in Bukarest lebte.

Der ersten Veröffentlichung eigener Gedichte im 1947 erschienenen Band „Kariera am Bug“ folgte zunächst eine lange Zeit der Stille. Erst 25 Jahre später präsentierte Immanuel Weißglas 1972 der Öffentlichkeit wieder eigene Werke. Hartmut Merkt bezeichnet sein langes Nichtveröffentlichen als eine Form der „inneren Emigration im sozialistischen Exil“ (Merkt, S. 171f.), als eine Weigerung, im stalinistischen Rumänien zu veröffentlichen. Dieser zweite Gedichtband „Der Nobiskrug“ wurde zu einem großen Erfolg, für den er mit dem Literaturpreis des rumänischen Schriftstellerverbandes ausgezeichnet wurde. 

Anders verhielt es sich mit seiner Tätigkeit als Übersetzer. Unter dem Pseudonym Ion Iordan veröffentlichte er 1957 und 1959 die Übertragung beider Bände von Goethes „Faust“ ins Rumänische, wofür er den Preis der rumänischen Akademie der Wissenschaften erhielt. 1964 folgte die Übersetzung des Romans „Erfolg“ von Lion Feuchtwanger sowie Texte von Franz Grillparzer und Adalbert Stifter. Seine letzte große Übersetzung, ein Jahr vor seinem Tod, war Stifters Roman „Der Nachsommer“. Neben Übersetzungen ins Rumänische übertrug er aber auch Nachdichtungen ins Deutsche, die unter seinem richtigen Namen erschienen, unter anderem Gedichte und Texte von Mihai Eminescu, Vasile Alexandri und Vasile Voiculescu. Wie Hartmut Merkt feststellt, spielte Immanuel Weißglas mit seiner Übersetzungstätigkeit eine wichtige Vermittlerfunktion für die deutsch- und rumänischsprachige Literatur und Kultur in jenen drei Jahrzehnten.

Seine eigene Dichtung ist in Rumänien relativ bekannt und wird nachhaltig rezipiert – im Ausland hingegen blieb Immanuel Weißglas weitgehend unbemerkt. In seinen Gedichten thematisiert er sowohl ukrainische als auch rumänische Motive; dem autobiografisch Erlebten – die Erfahrungen von Fremdsein, Identitätsverlust, Tod und Vertreibung – können leitmotivische Funktionen zugeschrieben werden. Aufsehen erregte jedoch im Zuge der Plagiatsvorwürfe gegen Paul Celan die Veröffentlichung von Immanuel Weißglas’ Gedichtes „Er“, das als Inspiration für Celans „Todesfuge“ betrachtet wird.

Seine letzten Lebensjahre waren durch eine schwere Erkrankung an einem Gehirntumor geprägt, an dem er am 25. August 1979 in Bukarest starb. In seinem Testament verfügte er, dass seine Asche über dem Schwarzen Meer verstreut werden sollte. 1994 veröffentlichte der Aachener „Rimbaud“ Verlag seine gesammelten Gedichte in dem Band „Aschezeit“.

Text: Kirsten Heyerhoff

Materialen:

  • Celan-Literaturzentrum: Petro Rychlo über Immanuel Weissglas.
  • Andrei Corbea-Hoisie, Grigore Marcu, Joachim Jordan (Hg.): Immanuel Weißglas (1920 - 1979). Studien zum Leben und Werk. Jassy, Konstanz 2010
  • Hartmut Merkt: Poesie in der Isolation. Deutschsprachige jüdische Dichter in Enklave und Exil am Beispiel von Bukowiner Autoren seit dem 19. Jahrhundert. Zu Gedichten von Rose Ausländer, Paul Celan und Immanuel Weißglas. Wiesbaden 1999

Werke:

  • Gottes Mühlen in Berlin. Gedichte. Bukarest 1947
  • Kariera am Bug. Gedichte. Bukarest 1947
  • Der Nobiskrug. Gedichte. Aachen 2011
  • Aschenzeit. Gesammelte Gedichte. Aachen 1994