Schwierig gestaltete sich das Programmziel zur Verbreitung des Jiddischen in den Schulen. Der Verein beantragte beim rumänischen Unterrichtsministerium die Errichtung einer privaten jüdischen Volksschule und eines jüdischen Gymnasiums, was beides abgelehnt wurde. Zwischen 1919 und 1923 konnten aber Sonntagskurse durchgeführt werden, in denen die jüdischen Volks- und Mittelschüler Jiddisch lernten. Die anfängliche Zahl der Kursteilnehmer von 850 fiel im vierten Jahr allerdings auf 450, woraufhin die Kurse eingestellt wurden. Der „Jiddische Schulverein“ organisierte ab 1921 jährlich eine jüdische Kulturkonferenz. Auf der ersten Kulturkonferenz vom 7. bis 9. Januar 1921 in Czernowitz trafen 56 Delegierte verschiedener Kulturinstitutionen der jüdisch-sozialistischen Parteien aus der Bukowina, Bessarabien und Alt-Rumänien und die Dichter und Künstler Elieser Steinbarg, Jakob Sternberg, Mosche Altmann und Arthur Kolnik zusammen (Vorwärts, 13. Januar 1921, S. 3). Hauptschwerpunkt der Konferenz war die Schulfrage. In einer Resolution wurde die „jiddisch-weltliche Arbeitsschule“ als die allgemeine Schulform proklamiert. Eine philologische Kommission sollte zukünftig Reformschritte zur Vereinheitlichung von Orthographie und Aussprache des Jiddischen einleiten. Die Aussicht auf Anerkennung des Jiddischen als Unterrichtssprache oder zumindest als Unterrichtsfach förderte die Aktivitäten des Vereins.

Eine Kulturföderation mit Sitz in Czernowitz sollte zukünftig die jüdische Kulturarbeit im ganzen Land koordinieren und durch die Gründung des vereinseigenen Verlags „Kultur“ plante man die Herausgabe von Lehrbüchern, pädagogischer Literatur und Kinderbüchern. Die „Jiddische Verlagsgesellschaft Kultur“ wurde am 24. Juni 1921 als Genossenschaft mit beschränkter Haftung in Czernowitz registriert. Als Präsident des Verlags amtierte Joseph Kissmann. Vereinsziel war die „Herausgabe und Vertrieb periodischer Druckschriften und der von Mitgliedern verfassten Schriften“. Bekanntmachungen erfolgten in den jiddischen Zeitungen Frayhayt (poale-zionistisch) und in Dos naye lebn (bundistisch) (Staatliches Czernowitzer Gebietsarchiv, F. 118, 3, 1252, Bl. 14). Als erste Verlagspublikation verlegte die „Kultur“ eine Kinderfibel mit jiddischen Texten von Steinbarg und Illustrationen von Kolnik. Israel Schäfler gab für den „Jiddischen Schulverein“ ab 1921 das Monatsblatt Kultur heraus, das jiddische Belletristik, Lyrik, Literaturkritik und pädagogische Schriften umfasste. Der Verein verfügte über eine Bibliothek, die sich, nachdem diverse andere kleinere Bibliotheken wie die jüdische Volksbibliothek der akademischen Verbindung „Jüdische Kultur“ übernommen worden waren, „zu einer der bedeutendsten und größten jüdischen Bibliotheken des Landes“ entwickelte.

Der „Jiddische Schulverein“ war auch im Theaterwesen aktiv und wollte das bis dato in Czernowitz agierende jüdische Theater modernisieren. Bereits 1919 hatte der Verein“ unter dem Veranstaltungstitel „dramatischer Abend“ Theateraufführungen organisiert. Am 19. November 1919 führten Schauspieler des Axelrad-Ensembles auf einer solchen Veranstaltung einige kleinere Stücke auf. 1920 beschloss der „Jiddische Schulverein“ die Schaffung eines jüdischen Kunsttheaters „Neue Jüdische Bühne“, das unter der Leitung des jiddischen Dichters und Journalisten Jakob Sternberg stehen sollte, sich gegen das jüdische Theater Abraham Axelrads in Czernowitz wendete und als „ständiges Wandertheater für ganz Rumänien“ (Vorwärts, 13. Januar 1921, S. 3) geplant war. Die dramaturgische Arbeit übernahmen Elieser Steinbarg, Mosche Altmann und Sternberg. Es wurde ein zweimonatiges Programm mit 24 Vorstellungen in Czernowitz und einer anschließenden Gastspielreise in Rumänien ausgearbeitet (Czernowitzer Morgenblatt, 5. Januar 1921, S. 3). Welchen Verlauf das jüdische Kunsttheater in Czernowitz nahm, ist nicht belegt. Die Czernowitzer Allgemeine Zeitung berichtete darüber, dass Sternberg die Gründung „einer modernen jüdischen Bühne für ausschließlich ernst-künstlerische Dramen, Lustspiele und Musikstücke“ (Czernowitzer Allgemeine Zeitung, 21. November 1920, S. 4) plante und in speziellen Theaterkursen Schauspieler auch in jüdischer Sprache und Literatur unterrichten wollte. Weitere Theateraktivitäten des „Jiddischen Schulvereins“ lagen in Matineen zur jiddischen Sprache und Dramatik und in Vortragsabenden zum jüdischen Theater. Am 20. Mai 1922 wurde aus Anlass des sechsten Todestages Scholem Alejchems eine Matinee veranstaltet (Czernowitzer Morgenblatt, 19. Mai 1922, S. 2), am 16. Dezember 1922 hielt Steinbarg einen Vortrag über Schalom An-Skis „Dibbuk“ und las aus eigenen Gedichten vor (Czernowitzer Allgemeine Zeitung, 14. Dezember 1922, S. 3). Während des Aufenthaltes der „Wilnaer Truppe“ im Herbst 1923 veranstaltete der „Jiddische Schulverein“ eine Matinee mit Schauspielern des Ensembles in der jüdischen Toynbeehalle (Czernowitzer Morgenblatt, 25. Oktober 1923, S. 3). 1924 gehörten dem Verein 623 Mitglieder an (Soifer, S. 98). Der Vereinssitz war Anfang der 1920er-Jahre im Jüdischen Nationalhaus.

Text: Markus Winkler

Materialien:

  • Arthur Kolnik: "Der jüdische Schulverein" in Czernowitz. In: Jüdisches Städtebild Czernowitz. Hrs. V. Andrei Corbea-Hoisie. Frankfurt/M. 1998, S. 181-188.
  • S.A. Soifer: Das jüdische Wohlfahrtswesen in Czernowitz. Cernăuţi 1925.
  • Markus Winkler: Jüdische Identitäten im kommunikativen Raum. Presse, Sprache und Theater in Czernowitz bis 1923. Bremen 2007 (hier: S. 174f., S. 221-223)
  • Orte

    Orte

    Wohnhaus von Jakob Pistiner (Mitinitiator des Jiddischen Schulvereins)

    Wohnhaus von Jakob Pistiner (Mitinitiator des Jiddischen Schulvereins)
    ehmealige Josefsgasse 12 (heute: Ukrainska, ohne Nr, neben Nr. 42 (ehemaliger Turnverein). Foto: Markus Winkler (2017)