Im Elternhaus ihrer Czernowitzer Kindheit und Jugend wurden Liederabende veranstaltet und Bücher rezitiert, die Dichter Elieser Steinbarg und Itzik Manger gingen ein und aus. Margit Bartfeld-Feller selber liebte die Musik und spielte Klavier. In ihren Erinnerungen gestaltet sich das Bild einer glücklichen und fast sorglosen Kindheit in Czernowitz, in dem die jiddische und deutsche Sprache kultiviert wurde. „Für mich war das wie ein Paradies“, „eine Märchenlandschaft“, erzählte sie im Interview mit Christel Wollmann-Fiedler (2012).

Zusammen mit Selma Meerbaum-Eisinger ging sie in eine Klasse, in eine rumänische Mädchenschule (Hofmann-Lyceum, rumänisch Lyceum Julia Hasdau), und ab 1940, „im Russenjahr“, auf eine jüdische Schule. Sie erzählt von einer strengen und wenig angenehmen rumänischen Schulzeit, die aber durch das reiche kulturelle Leben nach dem Unterricht und die Ausflüge in die Natur der Bukowina ausgeglichen wurde. Als eine der wenigen letzten Zeitzeug*innen hat Margit Bartfeld-Feller 2013 ihre Erinnerungen an ihre Schulfreundin Selma Meerbaum-Eisinger festgehalten, die mit nur 18 Jahren in einem Lager in Transnistrien an Typhus starb.

Die glückliche Zeit in Czernowitz nahm am 13. Juni 1941 ein jähes Ende, als die Familie zusammen mit etwa 3000 weiteren Czernowitzern den politischen Säuberungen kurz vor Ausbruch des deutsch-sowjetischen Krieges zum Opfer fiel. Die damals 18-jährige Margit Bartfeld-Feller wurde mit ihren Eltern und ihrem neunjährigen Bruder Otti nach Sibirien deportiert. Ohne Vorwarnung wurde die Familie nachts von Soldaten des NKWD aus ihrem Haus geholt. 20 Minuten wurde ihnen Zeit zum Packen gegeben, jedoch ohne Informationen, was geschehen sollte. Sie wurden zusammen mit 20 bis 30 Menschen in einen Güterwagon gepfercht und in einer wochenlangen Fahrt in die sibirische Taiga gebracht, ins Arbeitslager Krassnojarka, genannt das „Todesnest“, am Flussufer des Vasjugan, einer Sumpfgegend nördlich von Tomsk. In ihren Erinnerungen erzählt sie von den harten, unmenschlichen Lebensbedingungen, von Hunger, Kälte und dem Kampf ums Überleben. Ihr Vater, Moritz Bartfeld, starb nur wenige Monate nach der Deportation den Hungertod. Der Erfindergeist ihrer Mutter und ihre positive Einstellung retteten sie über die ersten Jahre.

1948 heiratete sie Kurt Feller, ein ebenfalls aus Czernowitz Deportierter, 1954 wurde die gemeinsame Tochter Anita geboren. Mitte der 1950er-Jahren konnten sie nach 15 Jahren Zwangsarbeit die Sumpfgebiete verlassen und nach Tomsk ziehen, wo Margit Bartfeld-Feller 30 Jahre als Musiklehrerin in einem Kinderheim arbeitete. Ihr Mann, der 1979 starb, konnte dort studieren und wurde ein anerkannter Baumeister und Architekt. Die Perestrojka ermöglichte ihr 1990 die Auswanderung nach Tel Aviv, wohin sie zusammen mit ihrer Mutter, ihrer Tochter, ihrem Schwiegersohn und den beiden Enkelkindern emigrierte. Ihr Bruder Otti blieb in Russland.

Ganz entscheidend für ihr Überleben und das Aushalten der Strapazen in der Verbannung war die Gewohnheit des gemeinsamen Lesens, Singens und Musizierens. Margit Bartfeld-Feller bemühte sich zudem in all den Jahren die Kontakte zu anderen Czernowitzer Deportierten aufrecht zu erhalten, und auch nach ihrer Auswanderung bildet sich um die Schriftstellerin ein Zentrum der weltweit vernetzten Czernowitzer Überlebenden der sibirischen Verbannung.

Was es heißt, über Nacht aus einem Leben in Hochkultur und Zivilisation herausgerissen und in die sibirische Ödnis deportiert zu werden, versucht Margit Bartfeld-Feller in ihren Erinnerungen zu beschreiben. Seit den 1990er-Jahren ist sie als Schriftstellerin tätig, ihr erstes Buch „Dennoch Mensch geblieben“ erschien 1996. Mittlerweile hat sie zwölf weitere Titel mit autobiografischen Aufzeichnungen veröffentlicht. In Israel ist sie heute eine wichtige Stimme gegen das nazistische und stalinistische Verbrechen. In der Begründung der Preisverleihung des Theodor-Kramer-Preis für Schreiben im Widerstand und Exil, den sie 2013 erhielt, wird von der „fortdauernden Bedeutung“ ihrer Schriften gesprochen und von ihrer Zeugenschaft der untergegangenen jüdisch-bürgerlichen Welt in Czernowitz, die sie mit ihrer österreichisch gefärbten deutschen Umgangssprache beschreibt sowie von ihren Erinnerungen an das sowjetisch beherrschte Sibirien als Verbannungsort. Die Besonderheit des Schreibens von Margit Bartfeld-Feller konstituiert sich jedoch vor allem durch ihre lebensbejahende und menschlich gebliebene Sprache und Persönlichkeit.

Text: Kirsten Heyerhoff

Werke:

Im Hartung-Gorre Verlag in Konstanz sind von ihr bisher erschienen:

  • Dennoch Mensch geblieben (1996)
  • Nicht ins Nichts gespannt (1998)
  • Wie aus ganz andern Welten (2000)
  • Am östlichen Fenster (2002)
  • Unverloren (2005)
  • I prošedšee ne uchodit (russisch: Und Vergangenes vergeht nicht) (2005)
  • Erinnerungswunde (2007)
  • Aschenblumen (2008)
  • Mama Cilly (2009)
  • Nachhall (2011)
  • Selma Meerbaum-Eisinger (2013)
  • Von dort bis heute (2015)
  • Mein Bruder Othmar (Otti) Bartfeld (2017)

Materialien:

  • Orte

    Orte

    Wohnhaus der Familie Bartfeld in Czernowitz bis 1941

    Wohnhaus der Familie Bartfeld in Czernowitz bis 1941
    Goethe Gasse 3 (heute: wul Hete 3). Foto: Markus Winkler (2017)