Frühzeitig kam er mit dem „Ethischen Seminar“ von Friedrich Kettner in Berührung, das sich mit der Lehre des Philosophen Constantin Brunner auseinandersetzte. Runes Name taucht im Verzeichnis der Schüler und Schülerinnen auf, die sich am „Ethischen Seminar“ beteiligten. Kurz darauf bildete sich in Wien, wo Runes seit 1922 studierte, auf Anregung Kettners eine „Platonica“, die anfänglich von Runes quasi als „Filiale“ des „Ethischen Seminars“ geleitet wurde. Runes stand in diesen Jahren mit Kettner, der das Seminar 1922 auflöste, in Briefkontakt. In Wien promovierte Runes 1924 mit einer Dissertation zum Thema Die Grundlagen der Ethik Platons und Spinozas bei Moritz Schlick, einem der Begründer des Wiener Kreises. Für einen Eklat sorgte er in Österreich mit seinem Roman Der wahre Jesus oder Das fünfte Evangelium, in dem er katholische Theologen als Wegbereiter des dortigen Antisemitismus verantwortlich machte. Der Verleger Rudolf Cerny wurde für sechzig Tage inhaftiert. Bevor die Polizei Runes habhaft werden konnte, hatte er das Land bereits Richtung USA verlassen. In New York nahm Runes Kontakt zum Brunnerkreis um Walter Bernard auf, der seit 1922 bestand. In den Folgejahren avancierte er in New York zu einem erfolgreichen Publizisten und Verleger, gab mehrere Zeitschriften heraus – The Modern Thinker (1929–1936), The Modern Psychologist (1932–1938) u.a. – und konnte 1940 für eine hohe Summe das Magazin Current Digest an Reader’s Digest verkaufen. Den Betrag reinvestierte er 1941 in sein neues Verlagsunternehmen „Philosophical Library“, das die Werke europäischer Philosophen und Schriftsteller wie auch die angesehene wissenschaftliche Zeitschrift The Journal of Aesthetics and Art Criticism herausbrachte. In den Nachkriegsjahren agierte Runes als Herausgeber philosophischer Wörterbücher (Dictionary of Philosophy, 1942; Spinoza Dictionary, 1951 u.a.), als Dichter (Jordan Lieder: Frühe Gedichte, 1948) und Übersetzer. Als Ehrenpräsident des Bukowiner Kulturverbandes in New York hatte er bis zu seinem Tod 1982 engen Kontakt zu den Czernowitzer Emigranten und Freunden aus der Jugendzeit.

Text: Markus Winkler 

Quellen:

  • Eli Rottner: Das Ethische Seminar in Czernowitz. Die Wiege des internationalen Constantin-Brunner-Kreises. Dortmund 1973
  • Jürgen Stenzel: Philosophie als Antimetaphysik: Zum Spinozabild Constantin Brunners. Würzburg 2002
  • Kurt Lubinski: Ein dichtender Verleger. In: Aufbau, 6. August 1948
  • Hendrik Edelman: Dagobert Runes (1902-82). In: Richard Abel und William Gordon Graham (Hg.): Immigrant Publishers: The Impact of Expatriate Publishers in Britain and America in the 20th Century, New Brunswick (N. J.) 2009, S. 197–198
  • Bukowiner Kulturverband in New York. Festdinner zu Ehren des Dr. Dagobert D. Runes. In: Die Stimme, Nr. 111, März 1959, S. 3
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    Sitz der Redaktion 'Das Licht' (1920)

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    Mikuliczstr. 7, heute Kotlyarevs'koho Str. 14. Foto: Markus Winkler (2017)