Der Entwurf des Gebäudes entstammt dem berühmten Wiener Architektenbüro Fellner & Helmer, das europaweit mehr als 40 Theaterbauten projektierte. Unter diesen befindet sich auch das Stadttheater in Fürth (Bayern), bei dem es sich um ein Zwillingsgebäude des Czernowitzer Theaters handelt. Der Grund für die zwei baugleichen Objekte waren finanzielle Probleme, die die Realisierung des 600.000 Kronen teuren Bauvorhabens des bukowinischen Theaters Anfang des 20. Jahrhunderts verzögert hatten. In der Folge nutzten die Architekten im Jahr 1902 den für das Theater in Czernowitz gedachten Entwurf kurzfristig für den Bau des Theaters in Fürth. Das Bauwerk wurde im neubarocken Stil gebaut und besticht durch eine französische Kuppel und die davor platzierte Melpomene sowie die frontale Portalbogenarchitektur, welche mit einer Skulpturengruppe der Ödipus-Sage geschmückt ist.

Die Geschichte des Theaters ist eng mit der politischen Entwicklung der Stadt Czernowitz verknüpft. Während des Ersten Weltkrieges fanden 1915-1918 keine Vorstellungen statt. Nach dem Fall der Habsburgermonarchie wurde das Theater im Zuge der rumänischen Besatzung in  umbenannt. Zur Schließung der Theaters und Umbenennung in „Rumänisches Nationaltheater“ kam es, nachdem am 29. Dezember 1921 rumänische Studenten während einer Aufführung von Friedrich Schillers „Die Räuber“ den Theatersaal gestürmt und die Zuschauer vertrieben hatten. In den Folgejahren konnten deutsche Theaterstücke in Czernowitz nur noch im Deutschen Haus bzw. im Musikverein (Philharmonie) aufgeführt werden. Das seit 1907 vor dem Theater platzierte Friedrich-Schiller-Denkmal wurde entfernt und im Garten des Deutschen Hauses aufgestellt. Von diesem Denkmal ist nur der Sockel geblieben, die Statue gilt als verschollen. Anstelle der Schiller-Statue wurde vor dem Theater ein Denkmal des rumänischen Schriftstellers Mihai Eminescu errichtet. Im Zuge der Machtübernahme der sowjetischen Behörden 1940 wurde Eminescu durch ein Lenin-Denkmal ersetzt.

Seit 1954 trägt das Theater den Namen „Ukrainisch musikalisch-dramatisches Olha-Kobyljanska-Theater“. Im Jahr 1980 wurde zu Ehren der ukrainischen Nationaldichterin und Namensgeberin vor dem Theater ein Denkmal errichtet. Seit Mitte der 1950er-Jahre wurden rund unterschiedliche 600 Vorstellungen, alle in ukrainischer Sprache, aufgeführt. Dabei handelt es sich um Ballett- und Orchesterdarbietungen, Operetten sowie Schauspielaufführungen. Zu den inszenierten Stücken gehören unter anderem Aufführungen von Federico García Lorcas „Fernanda Albas Haus“ und Arthur Laurents’ „West Side Story“. Darüber hinaus organisiert das Theater jährlich ein Comedy-Festival, das in verschiedenen ukrainischen Städten stattfindet. Nach einem Besucherrückgang Anfang der 1990er-Jahre ist heute nach Aussage des Theaterdirektors Jurij Martschak die Nachfrage nach Karten wieder hoch. Vor allem Premierenaufführungen sind beliebt, zu denen neben Zuschauern aus der Stadt auch Menschen aus dem Umland nach Czernowitz reisen, um das 63-köpfige Theaterensemble zu erleben.

Im Jahr 1979 wurde das Theater renoviert. Im Zuge dessen wurden im Inneren des Gebäudes 2,5 Kilogramm Blattgold verarbeitet. Die Kronleuchter, Mustertapeten und vergoldeten Skulpturen sind im Original erhalten. Des Weiteren zieren Kompositionen antiker Gottheiten der Künste nach wie vor die Seitenbalkone und Decke des im Stil des Rokoko und von den Farben Gold und Rot dominierten Theatersaals. Ursprünglich umfasste dieser 813 Sitz- und Stehplätze. Mittlerweile wurden die ehemals vorhandenen, vorrangig von Studenten genutzten Balkonstehplätze zu Sitzplätzen umfunktioniert, sodass heute Sitze für 730 Zuschauer zur Verfügung stehen. Die von Fellner & Helmer entworfenen Gebäude sind bekannt für ihre akustischen Finessen. So gibt es unter dem Boden des Foyers ein 2,80 Meter tiefes „akustisches“ Loch, das die über ihm erzeugte Lautstärke verdoppelt. Außerdem wurde die Bühne so angelegt, dass alle Zuschauer – unabhängig ihres Sitzplatzes im Theatersaal – das gleiche Klangerlebnis erfahren können.

Text: Daniela Gast

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    Stadttheater und Jüdisches Haus

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    Zeitgenössische Postkarte (gelaufen 2. Februar 1918). Verlag Moritz Gottlieb Buchhandlung (Privatarchiv Markus Winkler)