Unter den Mitbegründern des Vereins waren sein späterer Vorsitzender Stefan Wolf (Direktor des I. k.k. Staatsgymnasiums), Wilhelm Alth (Präsident der Handels- und Gewerbekammer), Moritz Amster (Schriftsteller), der Archimandrit Theophil Bendella und der Komponist Isidor Worobkiewicz u.a. (Bericht des Turnrathes, S. 11-15). Zu den Vereinsvorsitzenden gehörten bekannte Bukowiner Persönlichkeiten wie z.B. Dr. Josef Wolf (1867-1868), Schulrat Stefan Wolf (1868-1870), Schulrat Dr. Wenzel Korn (1879-1873, 1875-1878), Prof. Alfons Ritter von Rylski (1874-1875) und Prof. Josef Wotta (1878-1885) (Nussbaum, S. 16).

In den ersten Jahren konzentrierte sich die Vereinstätigkeit darauf, die Vereinskasse zu füllen, um aus den Mitteln eine eigene Sporthalle zu bauen. Jährlich wurden vom Sportverein während des Karnevals Bälle veranstaltet. Anfang der 1870er-Jahre koordinierte Prof. Schnabl diese Veranstaltungen. Zu den Abenden wurden auch Ernst Rudolf Neubauer mit seinen poetischen Improvisationen und Männerchöre eingeladen (Bericht über die Thätigkeit 1884/85, S. 6). Ein besonderer Erfolg war der „Turner-Damenabend“ der Karnevalssaison 1869/70, der Ende Februar 1870 in der Sporthalle des Schützenvereins stattfand (Turner-Damenabend. In: Czernowitzer Zeitung, Nr. 34 vom 2. März 1870, S. 2). Trotz des schlechten Wetters kamen ca. 600 Besucher, unter denen sich auch Vertreter der höheren gesellschaftlichen Kreise der Stadt befanden. Dies war der erste Versuch, in Czernowitz einen sogenannten Narrenabend zu etablieren. Es trat eine Narrengruppe namens „Tiroler“ auf sowie ein Männerchor, der von den Komponisten Worobkiewicz und Wilhelm vertonte Gedichte von Johann Georg Obrist und Moritz Amster vortrug. Während dieser Veranstaltung fanden Wettbewerbe und Sportspiele statt. Der Gewinn wurde an den Kommunalarmenfond übergeben (Der Turner-Damenabend recte Narrenabend. In: Czernowitzer Zeitung, Nr. 35 vom 4. März 1870, S. 2).

Um den Baufond des Vereins zu füllen, fanden seit 1873 auch Frauensportabende statt, die bald zum Höhepunkt des Karnevals wurden. Die kostümierten Gäste spielten diverse Turnübungen vor. Bei den Festen des Sportvereins trat häufig der Czernowitzer Gesangsverein mit Komödien und Operetten auf. Zu den Höhepunkten der Abende gehörte auch die Vorstellung der Narrenzeitung, die humorvoll das Leben der Stadt beschrieb, oft mit einer bekannten Czernowitzer Persönlichkeit auf dem Titelblatt. Die Zeitung wurde ab 1871 jährlich herausgegeben (Bericht über die Thätigkeit 1884/85, S. 14). An Wochenenden organisierte der Verein Spaziergänge auf den Cecina-Berg und in die Wälder von Žučka, Hliboka oder Horecze.

Am 29. September 1872 fand eine feierliche Einweihung der Vereinsfahne statt. Fahnenmutter war Antonie von Petrowicz, Ehegattin des ersten Bürgermeisters von Czernowitz Jakob Ritter von Petrowicz. Sie spendete für den Bau der Turnhalle 100 Forint (O. J. Nussbaum: Gut Heil! Festschrift Allgemeiner Turnverein in Czernowitz 1867–1892. Czernowitz 1892, S. 15).

Der Czernowitzer Turnverein war multinational ausgerichtet. Dennoch waren die meisten Mitglieder Deutsche (Lang, S. 389). Die soziale Struktur war dagegen ziemlich heterogen: im Verein gab es Lehrer, Beamte, Kaufleute, Händler und Handwerker. Ende 1885 zählte der Verein 228 Mitglieder, davon drei Ehrenmitglieder, 27 Gründer, 65 ausübende Mitglieder und 133 unterstützende Mitglieder. Nach der Gründung der Czernowitzer Universität gesellten sich noch bis Ende des Jahres 17 Studenten dazu (Bericht über die Thätigkeit 1884/85, S. 12-15).

Frauen waren nur als Schülerinnen beim Mädchenunterricht präsent. Im Gründungsjahr des Vereins wurden Unterrichtseinheiten für Mitgliedstöchter angeboten, die von der Lehrerin von Catargi durchgeführt wurden. Einziges weibliches Ehrenmitglied war Antonie Baronin Kochanowska.

1886 wurde nach Plänen des Architekten Vincenz von Korytinski ein Haus für den Allgemeinen Turnverein in der Josefsgasse 14 (heute wul. Ukraïnsʾka 42) errichtet. Das Gebäude ist im Stil der italienischen Renaissance gebaut und bestand aus einem Vorderteil und einem Flügel (Der allgemeine Turnverein in Czernowitz. Czernowitz 1886, S. 18). Bis dahin nutzte der Allgemeine Turnverein zunächst das sogenannte Kubelka-Haus, danach das Sophienbad (Russische Gasse, 40, heute wul. Rusʾka 38).

Im Turnverein wurde auf Initiative des Trainers Frank eine Bibliothek angelegt, die 49 Fachbücher und zahlreiche Zeitschriften umfasste (Bericht über die Thätigkeit 1886/1887, S. 6). Nach der Fertigstellung des Gebäudes des Turnvereins fanden alle Sport- und Unterhaltungsveranstaltungen in diesen Räumlichkeiten statt. Auch andere Vereine mieteten von nun an den zweitgrößten Vereinssaal der Stadt (251 qm) für ihre Veranstaltungen.

Text: Kateryna Valjavsjka

Quellen:

  • Der allgemeine Turnverein in Czernowitz. Czernowitz 1886
  • Bericht des Turnrathes an die Hauptversammlung des allgemeinen Turnvereins in Czernowitz am 22. Mai 1870. Czernowitz 1870
  • Bericht über die Thätigkeit des Allgemeinen Turnvereines in Czernowitz im Vereinjahre 1884/1885. Czernowitz 1885
  • Bericht über die Thätigkeit des Allgemeinen Turnvereines in Czernowitz im Vereinjahre 1886/1887. Czernowitz 1887
  • Franz Lang: Das Vereinswesen der Deutschen in der Bukowina. In: Buchenland Hundertfünfzig Jahre Deutschtum in der Bukowina. München 1961
  • O. J. Nussbaum: Gut Heil! Festschrift Allgemeiner Turnverein in Czernowitz 1867–1892. Czernowitz 1892
  • Statuten des Allgemeinen Turnvereins zu Czernowitz. Czernowitz 1874

 

  • Orte

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    Ehemaliger Allgemeiner Turnverein

    Ehemaliger Allgemeiner Turnverein
    Ehemalige Josefsgasse 14, heute: wul. Ukraïnsʾka 42. Foto: Kateryna Valjavsjka (2016)