Er besuchte dort die Schule und später das Lehrerseminar am 1919 gegründeten Jiddischen Schulverein. Seine erste Erzählung „Oifn splaw“ („Auf dem Floß“) veröffentlichte er am 5. Juni 1934 in den ‚Czernowitzer Bletern‘, einer jiddischen Zeitschrift, die 1938 zwangseingestellt wurde, die er jedoch ab 1990 wieder ins Leben rief und als Monatszeitschrift bis zu seinem Tod herausgab. Er las viel, setzte sich mit Literatur und besonders der jüdischen Literatur auseinander und war begeistert von Elieser Steinbarg und Itzig Manger, die er auch persönlich kennenlernte. 1935 bis 1938 studierte er in Wien Germanistik und kam mit anderen jiddischen Schriftstellerinnen und Schriftstellern in Kontakt, so dass schon früh für ihn klar wurde, wohin seine Profession ihn zog. Bis 1940 folgten zwei weitere Erzählungen, in denen er u.a. Motive seiner Herkunftsregion Wischnitz (Wyžnycja) verarbeitet – „afn tschermosch“ („Auf dem Czeremosz“ 1939) und „ssam“ („Gift“ 1940) – jedoch musste er daraufhin seine schriftstellerische Tätigkeit aufgrund der politischen Umwälzungen für 40 Jahren unterbrechen und konnte erst wieder seit 1980 veröffentlichen.

Nach dem Anschluss Österreichs an Deutschland im März 1938 musste er aus Wien fliehen, die geplante Ausreise nach London gelang jedoch nicht, weshalb er über Prag nach Czernowitz zurückkehrte. In der Zwischenzeit war ihm seine rumänische Staatsbürgerschaft als Jude aberkannt worden. Auch nach dem Einmarsch sowjetischer Einheiten und der Sowjetisierung der Behörden in Czernowitz blieb er in der Stadt. 1941 floh er vor den anrückenden deutschen Sondereinheiten in die UdSSR. Er kam zunächst nach Saratov, wo er als Deutschlehrer bei den dort lebenden Wolgadeutschen arbeitete. Sein Aufenthalt dort war jedoch nur von kurzer Dauer, er flüchtete weiter nach Usbekistan, immer in der Angst, doch noch als Jude deportiert zu werden. In Taschkent arbeitete er zunächst in einer Kolchose, wurde dann ins Militär eingezogen und in Zentralasien eingesetzt, bevor er nach Ende des Krieges mit Zwischenstation in Moskau nach Ivanovo geschickt wurde. Ab 1946 unterrichtete er an der dortigen Universität im Auftrag des Ministeriums für Bildung deutsche Sprache und Literaturgeschichte – eine seiner Studentinnen wurde seine zukünftige Frau. Erst 20 Jahre später, nach weiteren Zwischenstationen in Stalingrad (das heutige Volgograd) und im Kaukasus, kehrte Josef Burg (zwischen 1957 und 1959, die Angaben weichen hier ab) mit seiner Frau und seiner Tochter nach Czernowitz zurück. Das Czernowitz seiner Jugend gab es jedoch nicht mehr, inzwischen war es sowjetisch geworden und hieß Černovcy, keiner seiner Verwandten lebte mehr, wie seine Mutter und Schwester waren viele im Holocaust ums Leben gekommen. Alles jüdische Leben, das früher in der Stadt geblüht hatte, war ausgelöscht.

In Czernowitz arbeitete Josef Burg zunächst weiter als Deutschlehrer, später ab den 1980er-Jahren als freier Schriftsteller, als Publikationen in seiner Muttersprache Jiddisch wieder möglich wurden. Er verfasste verschiedene Erzählungen, Skizzen und Kurzgeschichten und brachte mehrere Bände, sowohl auf Jiddisch, als auch auf Deutsch heraus, die wiederum in mehrere Sprachen übersetzt wurden. Besonderes Anliegen war es Josef Burg mit seinem Schreiben die Erinnerung an die jiddische Literatur, Kultur und Sprache wachzuhalten sowie ein Bild der untergegangenen Welt des multikulturellen Czernowitz zu zeichnen, wodurch er diese längst zu einem Mythos gewordene Welt der Bukowina wieder ein Stück lebendiger werden ließ.

Bis zu seinem Tod am 10. August 2009 lebte er als Ehrenbürger der Stadt Czernowitz in der ehemaligen Landhausgasse, der heutigen vulycja Andrija Šeptyc’koho Nr. 13. Als letzter jiddischer Schriftsteller und einer der letzten Zeitzeugen des 20. Jahrhunderts bekam er bis zum Ende seines Lebens viel Besuch – Touristen, Schulklassen und Reisegruppen sowie Journalisten kamen zu ihm nach Hause, auch bis zu seinem Tod noch, als er sein Bett schon nicht mehr verlassen konnte. Unter den vielfachen Auszeichnungen, die ihm verliehen wurden waren beispielsweise der Ehrentitel ‚Verdienter Kulturschaffender der Ukraine‘ sowie im Mai 2009, kurz vor seinem Tod, der Theodor-Kramer-Preis für Schreiben im Widerstand und Exil, den er zusammen mit der ebenfalls aus Czernowitz stammenden Schriftstellerin Ilana Shmueli erhielt. In der Begründung für die Preisverleihung heißt es: „Seine [Josef Burgs] Erzählungen sind Klage um das Verlorene und Lobpreisung des Lebendigen zugleich.“

Text: Kirsten Heyerhoff

Werke:

  • 1934: Oifn splaw (dt. Auf dem Floß)
  • 1939: Oifn tschermusch (dt. Auf dem Czeremosz)
  • 1940: Ssam (dt. Gift)
  • 1980: Dos leben geit waiter (dt. Das Leben geht weiter)
  • 1983: Iberuk fun tsajtn (dt. Über die Zeiten hinweg)
  • 1988: Ein Gesang über allen Gesängen.
  • 1990: A farschpetikter echo (dt. Ein verspätetes Echo)
  • 1997: Zwej weltn
  • 1997: Zewikelte stetschkes
  • 2000: Irrfahrten
  • 2004: Sterne altern nicht
  • 2005: Dämmerung
  • 2006: Mein Czernowitz
  • 2006: Begegnungen. Eine Karpatenreise
  • 2007: Über jiddische Dichter. Erinnerungen.
  • 2008: Ein Stück trockenes Brot

 

Materialien:

  • Orte

    Orte

    Wohnhaus von Josef Burg (vul. Andrija Šeptyc’koho 13)

    Wohnhaus von Josef Burg (vul. Andrija Šeptyc’koho 13)
    Foto: Kirsten Heyerhoff (2017)